Programm 2015

Thema des Kongresses: »Beendigung von Arbeitsverhältnissen – neue und alte Fragen«

Hinweis: Der Benutzername zum Abruf der Dateien lautet „Passau“, das dazugehörige Kennwort wurde auf der Veranstaltung bekanntgegeben.

Donnerstag, 18. Juni 2015

14.00 Uhr Begrüßung
Prof. Dr. Frank Maschmann, Universität Regensburg
14.15 Uhr Europäisches Recht und die Beendigung von Arbeitsverhältnissen in Deutschland
Prof. Dr. Martin Franzen, Ludwig-Maximilians-Universität München
15.15 Uhr Beendigung aus Altersgründen und Weiterarbeit im Alter
Prof. Dr. Frank Bayreuther, Universität Passau
16.15 Uhr Pause
16.45 Uhr Kündigung wegen Krankheit
RA Prof. Dr. Achim Schunder, Frankfurt/Main
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19.00 Uhr Domkonzert
20.30 Uhr Empfang im Museum Moderner Kunst
Verleihung des Wissenschafts- und des Praktikerpreises 2015 der Stiftung „Theorie und Praxis des Arbeitsrechts“

Freitag, 19. Juni 2015

08.30 Uhr Kündigung wegen unternehmensschädlichen Facebook-Postings
RA Dr. Steffen Burr, Öhringen
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09.30 Uhr Pause
10.00 Uhr Kündigung nach heimlicher Arbeitnehmerüberwachung
Dr. Mario Eylert, Vorsitzender Richter am Bundesarbeitsgericht, Erfurt
11.00 Uhr Restrukturierung
Christoph Schmitz-Scholemann, Richter am Bundesarbeitsgericht a.D., Erfurt
12.30 Uhr Mittagsimbiss im Foyer des Redoutensaals
13.30 Uhr Vorbereitung von Kündigung und Kündigungsschutzprozess
Alexander Zumkeller, Leiter HR Policies, ABB AG, Mannheim
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14.30 Uhr Fallstricke und Tücken im Kündigungsschutzprozess
Christoph Tillmanns, Vorsitzender Richter am LAG Baden-Würtenberg, Freiburg
16.00 Uhr Abschlussgespräch

 

Tagungsbericht 2015

Beendigung von Arbeitsverhältnissen

Dieses Symposion war in erster Linie etwas für Praktiker. Es ging um die Kündigung. Man sollte meinen, bei zigtausend Kündigungsschutzprozessen im Jahr müssten eigentlich alle Streitfragen geklärt sein. Aber nichts dergleichen. Es tauchen, wie Prof. Dr. Frank Maschmann, der seit vier Jahren das Passauer Arbeitsrechtsymposion organisiert und moderiert, in seinen Eingangsworten sagte, immer neue Fragen auf. Die Technik ändert sich – man denke nur daran, dass Arbeitnehmer jetzt auch per Facebook ihrem Unmut über ungeliebte Arbeitgeber Luft machen können -, oder daran, dass Arbeitgeber schwarze Schafe unter ihren Arbeitnehmern per Videoüberwachung auf die Schliche kommen wollen. Und es kommen neue „Player“ im Arbeitsrecht hinzu, wie der Europäische Gerichtshof und der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte, die ohne große Rücksicht auf nationale Befindlichkeiten auch im Kündigungsrecht ihre Duftmarken setzen – wie sollten sie auch bei den 28 Mitgliedstaaten der Europäischen Union und den 47 Ländern des Europarats, die für 820 Mio. Bürger zuständig sind.

Mit den daraus folgenden Rechtsfragen befasste sich Prof. Dr. Martin Franzen, Universität München. Er schilderte die Kreativität dieser Gerichte, die trotz eher spärlicher Rechtsgrundlagen im Kündigungsrecht immer mehr Terrain für sich beanspruchen. So erklärte der EuGH im Fall Kaltoft Adipositas (Fettsucht) für eine Behinderung, mit der Folge, dass eine aus diesem Grunde erklärte Kündigung unwirksam sei und sich der Arbeitgeber obendrein noch schadensersatzpflichtig mache. Immerhin, tröstete Franzen, telefonieren europäische und deutsche Richter miteinander und verhindern so allzu starke Brüche.

Prof. Dr. Frank Bayreuther, Universität Passau, befasste sich mit dem aktuellen Thema der Beendigung von Arbeitsverhältnissen aus Altersgründen und der Weiterarbeit im Alter. Hier hat der Gesetzgeber immerhin ein Ventil geschaffen. Auf das Rentenalter befristete Arbeitsverträge können bei gleichen Arbeitsbedingungen beliebig oft beliebig lange verlängert werden. Natürlich heben eifrige Juristen bereits die Hände. Ohne irgendwelche Grenzen sei das wohl nicht europarechtskonform. Die Sorge, dass es zu amerikanischen Verhältnissen kommt, dass also 90 jährige noch im Arbeitsverhältnis stehen, ist aber wohl unbegründet. Anders als in den USA gibt es bei uns eine gesetzliche Rentenversicherung.

RA Prof. Dr. Achim Schunder, Frankfurt/Main, nahm sich der Kündigungen wegen Krankheit an, die immerhin rund 10 % der gut 200.000 jährlichen Kündigungen ausmachen. Im betrieblichen Eingliederungsmanagement hat der Gesetzgeber gezeigt, in welche Richtung die Personalpolitik gehen sollte. Vor die Kündigung hat er die Prävention gesetzt.

Ein neues Phänomen ist das unternehmensschädliche Facebook-Posting. Gegen ein paar deutliche Worte über den eigenen Arbeitgeber in einem Gespräch, auf dessen Vertraulichkeit ein Arbeitnehmer berechtigterweise baut, hat niemand etwas einzuwenden. Selbst wenn der Gesprächspartner unerwartet die Vertraulichkeit bricht, ist das kein Kündigungsgrund. Facebook-Posting ist aber etwas anderes. Hier werden – so RA Dr. Steffen Burr, Öhringen, Informationen dauerhaft ins Netz gestellt und massenhaft verbreitet: jeder Facebook-Nutzer hat durchschnittlich 190 „Freunde“, die ihrerseits wieder freundschaftlich im Internet verbunden sind. Von Vertraulichkeit kann in den seltensten Fällen die Rede sein. Vorsicht vor ehrverletzenden oder rufschädigenden Äußerungen, vor Ausplaudern von Betriebs -oder Geschäftsgeheimnissen, Kritik am Arbeitgeber und seinen Produkten oder vor Boykottaufrufen ist also angebracht.

Sehr zurückhaltend reagiert die Rechtsprechung bei der Zulässigkeit heimlicher Videoaufnahmen und bei deren Verwertung im Kündigungsschutzprozess. Die Gerichte möchten, wie Dr. Mario Eylert, Vorsitzender Richter am Bundesarbeitsgericht, Erfurt, darlegte, unter allen Umständen verhindern, dass Unschuldige in ihrem Persönlichkeitsrecht verletzt werden. Sie verlangen deshalb, dass ein dringender Verdacht gegen einen konkreten Arbeitnehmer besteht und dass vor einer heimlichen Videoüberwachung alle anderen Mittel ausgeschöpft werden („ultima ratio“). Eine heimliche Überwachung von Mitarbeitern in einem Postverteilungszentrum, in dem überdurchschnittlich viele Pakete verschwunden waren, hat das BAG deshalb für unzulässig erklärt. Ob das der Lebenswirklichkeit gerecht wird, kann man bezweifeln.

Christoph Schmitz-Scholemann, Richter am Bundesarbeitsgericht a.D, Erfurt, schilderte die Rechtsfragen, die bei Restrukturierungen – Schmitz-Scholemann übersetzte sie mit „Entlassungswellen“ – auftauchen. Das Kündigungsschutzgesetz geht von dem Grundsatz unternehmerischer Freiheit aus, das heißt, der Arbeitgeber bestimmt den Personalbedarf. Er entscheidet auch, ob Arbeit von eigenen Arbeitnehmern verrichtet oder nach draußen vergeben wird. Missbräuchen – Stichwort: Schlecker – hat der Gesetzgeber einen Riegel vorgeschoben; der Koalitionsvertrag sieht weitere Einhegungen von Werkverträgen und Arbeitnehmerüberlassung vor. Die zahlenmäßige Bedeutung von Leiharbeitsverträgen wird übrigens oft überschätzt: es sind gerade einmal 3 % der Beschäftigungsverhältnisse.

Besonders angetan waren die Anwälte und die Unternehmensjuristen von den letzten beiden Vorträgen. Alexander Zumkeller, Leiter HR Policies, ABB AG, Mannheim, referierte über die Vorbereitung von Kündigung und Kündigungsschutzprozess. Zumkeller machte deutlich, welch einschneidende Maßnahme eine Kündigung für den Betroffenen, für Kollegen und das Unternehmen selbst ist. Bei ABB gelte deshalb der Grundsatz „Umbau statt Abbau.“ Bewährt habe sich bei Auseinandersetzungen eine Mediation.

Christoph Tillmanns, Vorsitzender Richter am LAG Baden-Württemberg, Freiburg, schließlich wies aus seiner Praxis auf die vielfältigen Fallstricke und Tücken im Kündigungsschutzprozess hin. Das fängt schon mit dem Zugang der Kündigung an. Der Arbeitgeber muss nicht nur beweisen, dass und wann dem Arbeitnehmer eine Kündigung zugegangen ist, sondern, wenn der Arbeitnehmer das bestreitet, auch, dass in dem zugestellten Umschlag ein Kündigungsschreiben lag. Und das hört mit den Problemen noch lange nicht auf, die sich daraus ergeben, dass der Arbeitgeber nicht selten einer ersten Kündigung noch eine zweite oder eine dritte nachschickt. Auch die Technik kann einem Kläger einen Streich spielen, etwa wenn die Spracherkennungssoftware sich verhört und aus den „Siemenswerken“ die „sieben Zwerge“ werden.

Das Passauer Arbeitsrechtsymposion wäre nicht das Passauer Arbeitsrechtsymposion ohne das entsprechende Beiprogramm. Wie schon in den letzten Jahren wurden wieder zwei Preise in Höhe von je 3000 € vergeben: der Wissenschaftspreis der Wolfgang-Hromadka-Stiftung an den Kölner Privatdozenten Dr. Clemens Höpfner für seine Habilitationsschrift zum Thema „Die Tarifgeltung im Arbeitsverhältnis“ sowie einen Praktikerpreis an die Personalverantwortlichen der Firma Max Frank GmbH & Co KG in Leiblfing für ihr Projekt zur besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie, der von den Bayerischen Arbeitgeberverbänden der Metall- und Elektroindustrie gesponsort wurde . Für Erholung und Erbauung sorgte am Abend des ersten Tages die Passauer Dommusik mit einer großartigen Aufführung der Paukenmesse von Haydn. Und dem fachlichen und geselligen Austausch diente wie üblich der Empfang im Museum Moderner Kunst. Die gut 200 Teilnehmer waren sich einig: Sie werden auch zum 30. Passauer Arbeitsrechtssymposion am 16. und 17.6.2016, zu dem Prof. Frank Maschmann einlud, wieder nach Passau kommen.

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