Programm 2013
Thema des Kongresses: »Personalarbeit in komplexem Umfeld«
Hinweis: Der Benutzername zum Abruf der Dateien lautet „Passau“, das dazugehörige Kennwort wurde auf der Veranstaltung bekanntgegeben.
Donnerstag, 20. Juni 2013
14.00 Uhr | Begrüßung Prof. Dr. Frank Maschmann |
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14.15 Uhr | Fremdpersonaleinsatz im Unternehmen – Industriedienstleistung statt Leiharbeit? Prof. Dr. Wolfgang Hamann, Universität Duisburg-Essen |
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15.15 Uhr | Leistungsgerechtes Entgelt: Gestaltung und Umgestaltung Waldemar Reinfelder, Richter am Bundesarbeitsgericht, Erfurt |
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16.15 Uhr | Pause | |
16.45 Uhr | Grenzenlose Arbeitszeit? MinDir Prof. Dr. Rainer Schlegel, Bundesarbeitsministerium, Berlin |
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19.30 Uhr | Konzert | |
20.30 Uhr | Empfang im Museum Moderner Kunst Verleihung des Wissenschafts- und des Praktikerpreises 2013 der Stiftung „Theorie und Praxis des Arbeitsrechts“ |
Freitag, 21. Juni 2013
08.30 Uhr | Entsendung zu Tochtergesellschaften im In- und Ausland Prof. Dr. Christian Reiter, Daimler AG, Stuttgart |
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09.30 Uhr | Pause | |
10.00 Uhr | Informations- und Datenfluss im Unternehmen von morgen Frank-Martin Entzer, Konzern-, Datenschutzbeauftragter, ABB AG, Mannheim |
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11.15 Uhr | Mitbestimmung in komplexen Betriebs- und Unternehmensstrukturen Prof. Dr. Volker Rieble, Zentrum für Arbeitsrecht und Arbeitsbeziehungen, Ludwig-Maximilians-Universität, München |
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12.30 Uhr | Mittagsimbiss | |
13.30 Uhr | Führungskräfte: Haftung und Enthaftung RA Dr. Knut Müller, München |
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14.30 Uhr | (Ex-)Abteilungsleiter als GmbH-Fremdgeschäftsführer RA Dr. Günter Schmitt-Rolfes, Anwaltssozietät Schmitt-Rolfes Faltmaier, München |
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16.00 Uhr | Abschlussgespräch |
Tagungsbericht 2013
Personalarbeit in komplexem Umfeld
Ein gelungenes Symposion trotz Hitze und Flut
Das Hochwasser in der Drei-Flüsse-Stadt ließ auch das 27. Passau Arbeitsrechtssymposion nicht ganz ungeschoren. Die Redoute, in der es eigentlich stattfinden sollte, konnte noch nicht wieder benutzt werden. Zum Glück fand sich im IBB eine Ausweichbleibe, und für das abendliche Konzert mit den Schülern des Auersperg-Gymnasiums bot die Stadt spontan – dafür sei ihr besonderes gedankt – den Rathaussaal an. So brauchten die gut 200 Teilnehmer auf ihre jährliche „Kultveranstaltung“ nicht zu verzichten. Und sie wurden für die oft weite und zum Teil wegen hochwasserbedingter Umleitung beschwerliche Anreise durch exzellente Vorträge mit einer Vielzahl anregender Gedanken belohnt.
Prof. Dr. Frank Maschmann, Universität Mannheim, der die Veranstaltung in seiner Eigenschaft als Vorstandsvorsitzender der Wolfgang-Hromadka-Stiftung leitete, machte in seiner Begrüßung deutlich, um was es in der Tagung ging: um die immer komplexeren Rechtsfragen, die die immer komplexeren Unternehmensstrukturen aufwerfen, die ihrerseits Antwort sind auf das immer komplexere wirtschaftliche, gesellschaftliche und rechtliche Umfeld.
Der Reigen der Vorträge wurde eröffnet durch ein Referat von Prof. Dr. Wolfgang Hamann, Universität Duisburg-Essen, über den Fremdpersonaleinsatz im Unternehmen. Es ging um das neuerdings immer häufiger zu beobachtende Phänomen, dass Unternehmen von der zunehmend stärker regulierten und damit immer unattraktiveren Leiharbeit auf den preiswerteren Einkauf von Industriedienstleistungen ausweichen. Ungelöst und schier unlösbar ist die Abgrenzung beider Gestaltungsformen voneinander, dem die Fremdfirmen dadurch auszuweichen versuchen, dass sie sich eine Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis besorgen. Hier will Hamann einen Riegel vorschieben.
Mit zwei Kardinalfragen des Arbeitsrechts, dem Entgelt und der Arbeitszeit, befassten sich Waldemar Reinfelder, Richter am Bundesarbeitsgericht, und Ministerialdirigent Prof. Dr. Rainer Schlegel, Bundesarbeitsministerium. Reinfelder schilderte die Möglichkeiten und Grenzen der Flexibilisierung von Entgelt. Schlegel befasste sich vor allem mit dem Problem der ständigen Erreichbarkeit von Arbeitnehmern für den Arbeitgeber in der Freizeit via Handy, Smartphone usw., die der eine als Stress empfindet und auf die der andere nicht verzichten möchte. Zumindest in der selbstveranlassten Lektüre einer dienstlichen E-Mail und einer ebenfalls auf freier Entscheidung beruhenden Antwort könne man kaum Arbeit im Sinne des Arbeitszeitrechts sehen. Täte man es doch, wäre die Folge fatal: an jede in der Freizeit bearbeitete E-Mail müsste sich eine Ruhezeit von 11 Stunden anschließen. Den Sonntag will der Referent allerdings grundsätzlich von dienstlicher Kommunikation freihalten.
Viele Rechtsfragen wirft die Entsendung von Mitarbeitern zu Tochtergesellschaften im In-und Ausland auf. Antworten für die Entsendung ins Ausland finden sich in der so genannten Rom I Verordnung der Europäischen Union; aber der Teufel steckt, wie immer, im Detail, mit dem sich Prof. Dr. Christian Reiter, Daimler AG, ebenso praxisnah wie rechtlich fundiert auseinandersetzte. Wer weiß schon, dass in Italien Frauen im ersten Jahr nach der Eheschließung Kündigungsschutz genießen und ob das auch für eine deutsche Arbeitnehmerin gilt, die mit einem deutschen Arbeitsvertrag nach Italien entsandt wird (Antwort: nein; anders, wenn sie einen Arbeitsvertrag mit der italienischen Tochtergesellschaft bekommt). Eine eigene Welt mit einer nur noch Eingeweihten verständlichen eigenen Sprache – zumeist Akronymen und Denglisch – ist der Datenschutz im Unternehmen. Sowohl der deutsche als auch der europäische Gesetzgeber kapitulierten bislang vor einer Regelung des Beschäftigtendatenschutzes. Frank-Martin Entzer, Konzerndatenschutzbeauftragter der Mannheimer ABB, ein Profi auf diesem Gebiet, schilderte anschaulich, wie heute im Zeichen der Auslagerung von IT-Diensten („Cloud Computing „) Daten durch die ganze Welt „reisen“. Hier helfen nur Datenvermeidung und Datensparsamkeit und notfalls Pseudonymisierung und Anonymisierung.
Fatale Auswirkungen auf die Mitbestimmung der Arbeitnehmer registriert Prof. Dr. Volker Rieble, Universität München, als Folge der weithin zu beobachtenden Reduzierung der Fertigungstiefe. Unternehmensteile oder Funktionen werden aus wirtschaftlichen Gründen ausgegliedert, teilweise aber auch gezielt zur Vermeidung von Mitbestimmung. Übrig bleibt von einem Unternehmen mit mehreren 1000 Mitarbeitern dann vielleicht eine Konzernspitze mit einigen 100, die die Entscheidung für eine Vielzahl von Tochtergesellschaften und Zulieferern trifft, deren Mitbestimmungsgremien nur noch versuchen können, diese Entscheidungen „sozial abzufedern“. Der Gesetzgeber – so Rieble – ist mehr oder weniger machtlos, weil er nicht in die verfassungsrechtlich geschützte unternehmerische Freiheit eingreifen kann.
Den Schluss bildeten zwei Vorträge zum Recht der Führungskräfte, insbesondere der Vorstände von Aktiengesellschaften und der Geschäftsführer von GmbHs. Rechtsanwalt Dr. Knut Müller, München, schilderte, welche Haftungsrisiken für Unternehmensvertreter heute bestehen. Das gilt bis in Kleinigkeiten. Kann ein Geschäftsführer einem leitenden Mitarbeiter, der in einem Kündigungsschutzprozess eine Abfindung von 50.000 € erstritten hat, im Interesse des Friedens weitere 10.000 € geben, oder macht er sich damit schon der Untreue schuldig? Verständlich, dass sich immer mehr Führungskräfte abzusichern versuchen: durch Compliance-Systeme etwa oder durch Abschluss von Versicherungen. Rechtsanwalt Dr. Günter Schmitt-Rolfes, München, schließlich befasste sich mit dem Schicksal des bisherigen Arbeitsvertrags, wenn ein Arbeitnehmer zum Vorstand oder Geschäftsführer des Unternehmens oder einer Tochtergesellschaft bestellt wird. Er wies darauf hin, dass Fremdgeschäftsführer und wohl auch Vorstände im europäischen Recht häufig auch in dieser Stellung als Arbeitnehmer gelten. Zu Recht resümierte Prof. Maschmann, dass die Komplexität auch in Zukunft nicht geringer, sondern eher größer wird, so dass dem Passauer Arbeitsrechtssymposion auch in den nächsten Jahren die Themen nicht ausgehen.
Wie gewohnt, endete der erste Tag mit kulturellen und kulinarischen Genüssen. Die Schüler des Auersperg- Gymnasiums unter der Leitung von Matthias Seibold zeigten in einem wunderbaren Konzert ihre meisterlichen Fähigkeiten und die hohe Qualität der Ausbildung in dieser Schule. Der Abend klang aus mit einem Empfang in dem ebenfalls vom Hochwasser betroffenen Museum Moderner Kunst. Sinnigerweise zierte die Wand des großen Saals ein übergroßer Christophorus, der mit einem Christuskind durch die Fluten stapft. Im Rahmen des Empfangs wurden zwei Preise in Höhe von je 3000 € verliehen. Den Wissenschaftspreis der Wolfgang-Hromadka-Stiftung erhielt Privatdozent Dr. Sebastian Kolbe für seine Habilitationsschrift „Mitbestimmung und Demokratieprinzip“, den erstmals verliehenen Praktikerpreis erhielten die Verantwortlichen in Personalabteilung und Betriebsrat der Boehringer Ingelheim Pharma für ihre innovative Betriebsvereinbarung über die Vereinbarkeit von Beruf und Pflege.
Die Teilnehmer waren sich einig: Großes Lob für die Passauer, die es fertig brachten, binnen kürzester Zeit wenigstens die äußerlich sichtbaren Folgen der Flut zu beseitigen. Und großes Lob für den Veranstalter, der trotz Hitze und Flut eine vorzügliche Tagung zu Wege brachte. Der Termin für das 28. Passauer Arbeitsrechtssymposion steht auch schon fest. Es ist der 26. und 27. Juni 2014.